Nach einer weiteren Woche mit Meditieren und schweißtreibender Yoga-Praxis stand er wieder vor der Tür – der „freie Freitag“. Dieses Mal machte ich einen Trip mit dem Sivananda-Ausflugsbus. Damit die Yoga Vacationer auch etwas von Land und Leute sahen, mietete das Ashram einmal die Woche einen Reisebus, der touristische Highlights im südlichen Kerala und im benachbarten Tamil Nadu ansteuerte. Tamil Nadu, das Land der Tamilen, lockt vor allem mit seinen Tempelstädten. So machten wir uns auf den Weg, um ein paar der eindrucksvollen Bauten zu bewundern und zusammen mit den hinduistischen Pilgern unsere Füße in die heiligen Gewässer von Kanyakumari zu tauchen.

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Natürlich war auch außerhalb der Ashram-Mauern für unser spirituelles Wohl gesorgt. Als wir im Morgengrauen den Bus bestiegen, wurde erst einmal ein kleiner Guru-Chant geträllert und gebetet. Für eine sichere Fahrt. Bei den indischen Verkehrsverhältnissen konnte das sicherlich nicht schaden. Wir hatten eine gut dreistündige Fahrt vor uns, genug Zeit, ein wenig Schlaf nachzuholen. Geweckt wurden wir etwas unsanft an der Grenze zu Tamil Nadu, als unser Bus von streng aussehenden Beamten inspiziert wurde. Die beiden Staaten lagen seit geraumer Zeit im Clinch wegen der Wasserversorgung und machen sich das Leben unter anderem mit solchen Grenzkontrollen schwer. Lastwagen wurden da gerne schon mal ein paar Stunden festgehalten. Zum Glück hatten alle brav ihren Reisepass eingepackt, besaßen ein gültiges Visum und niemand wurde steckbrieflich gesucht. Indische Bürokratie live!

Nachdem wir die Einreise erfolgreich hinter uns gebracht hatten, stand das erste Highlight auf dem Programm: Frühstück! Schon wieder Sünde – das „family restaurant“ am Rande des Highways servierte köstliche Masala Dosas, ein typisch südindisches Gericht, knusprig gebackene Pfannkuchen mit einer würzigen Kartoffelfüllung. Natürlich mit Fett, Zwiebeln und Knoblauch, also den „no gos“ der Yogaküche, aber auch die Lehrer, die uns begleiteten, ließen es sich schmecken. Können wir das nicht jeden Tag bekommen?

Waren wir schon im Restaurant ziemliche Exoten – die übrigen Gäste waren ausschließlich indische Großfamilien – so setzte sich dies bei unserem anschließendem Tempelbesuch fort. Die meisten Touris besuchten doch eher den berühmten Tempel von Madurai oder Orte wie Pondicherry und Auroville an der Ostküste. Der Bau war trotzdem imposant. Und es war „Indien live“. Das Gedränge auf den Straßen setzte sich in diesen heiligen Hallen fort. Während wir andächtig und mit großen Augen die Steinmetzarbeiten bestaunten, die Gerüche der unzähligen Räucherstäbchen und den Duft der Tempelblume Frangipani aufnahmen, gingen die indischen Besucher einem ihrer liebsten Hobbies nach – drängeln und rempeln. Wer den Platz vor den Altaren nicht schnell genug wieder räumte, bekam einfach einen Ellbogen in die Rippen gebohrt. Wer höflich und zurückhaltend wartete, bis er an der Reihe war, hatte ebenfalls verloren und wurde überrollt und beiseite gedrängt. Insbesondere die älteren, korpulenteren indischen Damen kannten da keine Gnade.

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Nachdem wir vor dem Tempel unsere Schuhe wieder eingesammelt hatten, hieß es „Pack’ die Badehose ein“. Wobei das an indischen Stränden so eine Sache ist. Die indischen Frauen gehen im Sari baden, Bikinis konnte man allenfalls in einem Touristenbadeort tragen. Und überhaupt hatte das Ashram strenge Kleiderregeln, zu viel Haut zeigen war verpönt. Wer sich also in die Fluten stürzen wollte, musste sich in das multifunktional einsetzbare Tempeltuch wickeln oder ging am besten direkt mit T-Shirt und langer Hose ins Wasser. Auch am Strand waren wir die „Hingucker“, die einzigen anderen Anwesenden waren Fischer, die uns neugierig über den Rand ihrer im Sand lagernden Boote beäugten. Einen Teil ihres Fangs hatten sie offenbar verloren, im Sand sonnten sich hunderte kleine Fische. Einen entspannten Strandtag stellte ich mir irgendwie anders vor!

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So waren wir alle ganz froh, als wir wieder in den Bus stiegen, der uns nach Kanyakumari bringen sollte. Kanyakumari ist ein Pilgerort am Kap Komorin, dem südlichsten Zipfel des indischen Subkontinents. Für die Inder ein heiliger Ort, denn hier fließen das Arabische Meer, der Indische Ozean und der Golf von Bengalen zusammen. Als gläubiger Hindu kommt man hierher, um ein rituelles Bad an den Ghats des Tempels der Göttin Kumari Amman zu nehmen oder den Vivakandanda Rock zu besuchen.

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Wir hatten offenbar einen beliebten Pilgertag erwischt. Der kleine Ort platzte aus allen Nähten, die Menschenschlange vor dem Kassenhäuschen des Bootsanlegers ging bis in die Bazarstraße. Wir hatten Glück und ergatterten noch einen Platz auf einem der betagten Boote, das uns zur vorgelagerten Felsinsel brachte. Dass wir alle Rettungswesten anziehen mussten, steigerte nicht eben das Vertrauen in die Verkehrstüchtigkeit des alten Kahns. Die Westen wurden übrigens von einem Schneider an einer ebenso betagten Nähmaschine geflickt …

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Die Bauten auf der Insel war nicht so spektakulär. Auch viele der indischen Besucher fanden die Gruppe hellhäutiger Yoga Vacationer offenbar interessanter als die historischen Denkmäler. Wenn man sich auf einer der Bänke niederließ, um ein wenig zu verschnaufen, konnte man sicher sein, binnen kurzer Zeit in ein Gespräch verwickelt zu werden. Als ich alleine auf einer der Steinbänke saß, war ich plötzlich umringt von einer ganzen Großfamilie, die mich neugierig ausfragte. „Which country?“ „You like India?“ „Are you married?“ Die Standardfragen. Die weiblichen Familienmitglieder beäugten ungläubig meine helle Haut, zupften mich am Arm. So ein Bleichgesicht sahen sie nicht alle Tage. Das Ganze endete in einer großen Fotosession. Ich müsse bitte unbedingt mit aufs Familienfoto. Da hatte ich mich auf etwas eingelassen, mit allen Familienmitgliedern einzeln zu posieren, mit Mama, Papa, Großmutter, Großtante, Schwester und natürlich den Kindern, alle setzten sich nacheinander neben mich. Das Neugeborene durfte ich auf den Arm nehmen, es guckte mich ebenfalls neugierig an mit seinen großen braunen Augen. Ja, das war Völkerverständigung, ein Ausflug ins echte Indien, ein Abenteuer!

Natürlich konnten wir diesen Tag nicht beschließen, ohne es den Pilgern gleichzutun und zumindest die Füße im heiligen Wasser der drei Ozeane zu baden. Irgendwie war es schon ein magischer Ort!

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Wie ging mein indisches Abenteuer weiter? Am nächsten „freien Freitag“ beschloss ich, dass es an der Zeit war, weiter zu ziehen. Ich packte meinen Rucksack und es ging auf ins Backpackerparadies Varkala, dem Goa von Kerala. Mehr dazu nächste Woche an dieser Stelle, stay tuned!

3 comments

  1. Hi Alex,
    … wirklich auch wahnsinnig tolle Fotos, die du da machst!
    Gruß – Martina

  2. danke schön 🙂 indien bietet auch wahnsinnig tolle motive!

  3. Hi Alex – wie immer entführst du uns mit deinen tollen Beschreibungen und wundervollen Fotos in diese magische Welt – welch willkommene Abwechslung! Tausend Dank dafür! Hab es gleich getwittert:)

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