Ursprünglich hatte ich geplant, mich einen ganzen Monat im Ashram einzumieten. Vier Wochen Askese, Stille, Selbstfindung. In Woche drei hatte ich mich noch immer nicht gefunden. Die Erdnussbällchen aus der Ashram-Boutique und der zuckersüße Milk Tea fanden ihren Weg direkt auf meine Hüften. Der WLAN-Spot unterhalb der Shiva Hall machte den Versuch, mich in Online-Abstinenz zu üben, schnell zunichte, das iPhone glühte auch hier.

So beschloss ich, dass es nach 21 Tagen bei den Sivanandas Zeit war, die Lokalität zu wechseln. Ich nutzte den nächsten „freien Freitag“, um mich abzusetzen. Mein Ziel hieß Varkala, ein ehemaliges Fischerörtchen an der Malabarküste, Anlaufstelle für hinduistische Pilger, Ayurveda-Anhänger und sonnenhungrige Backpacker.

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Nach den behüteten Wochen in der Obhut des Ashrams konnte ich mir noch nicht so recht vorstellen, mich dem indischen ÖPNV anzuvertrauen. Es kam mir also sehr gelegen, dass der Sivananda-Ausflugsbus auf seiner nächsten Tour nach Varkala fuhr. Nebenbei noch ein bisschen Hausboot-Feeling schnuppern in den berühmten Backwaters − die Gelegenheit hätte günstiger nicht sein können!

Fast hätte ich meine Abreise allerdings verschieben müssen. Oder mit deutlich leererem Rucksack fahren müssen. Denn als ich am Vorabend meine frisch gewaschene Wäsche abholen wollte, war in der Hütte der Waschfrauen alles dunkel. Weit und breit niemand in Sicht. Shit, was tun? Doch noch bleiben? Nein. Mir eine neue Garderobe zulegen, Indian style? Nein. Ich gönnte mir erst einmal einen Ginger-Lemon-Honey-Drink in der Health Hut. Und war ziemlich ratlos.

Irgendwann sah ich ich Licht in dem Waschkabäuschen. Ein Glück! Meine Wäsche war allerdings nicht fertig, auch im tropischen Kerala scheint nicht jeden Tag die Sonne und die Sachen hingen noch feucht auf der Leine. Einen Trockner gab’s natürlich nicht. Der Einsatz des altmodischen, gusseisernen Bügeleisens half nur minimal. Also verbrachte ich den restlichen Abend damit, ein bisschen heißen Wind mit meinem kleinen Reisefön zu simulieren. Half auch nicht wirklich. Mir blieb also nichts anderes übrig, als die klammen Sachen in den Rucksack zu packen und vor sich hin müffeln zu lassen. Life of a backpacker …

Am nächsten Tag regnete es sowieso, daher war es fast schon wieder egal. Denn auch in den Bus regnete es hinein, er hatte zwar Fensterscheiben, aber die waren alle undicht. Tat unserer Laune aber keinen Abbruch. Denn wir hatten heute richtige Stimmungskanonen an Bord: die beiden verschwägerten libanesischen Rechtsanwälte, im Zweitberuf angehende Yogalehrer. Sie sahen auch aus, als ob sie weiterreisen wollten, denn sie hatten einen Koffer dabei. Einen schwarzen Diplomatenkoffer, auf welcher Mission waren die wohl unterwegs?

Ich hatte schon gehört, dass die zwei im Männertrakt immer heimlich rauchten, der ältere hätte mit seiner Stimme auch gut in einer Rothändle-Werbung mitmachen können. Und Kaffee kochten. So wunderte ich mich nicht, was dann alles zum Vorschein kam: Ein Großpack Plastikbecher, ein Glas Nescafé, Zucker, und kiloweise Kekse – also alles, was man für eine Kaffeefahrt so braucht! Wir durften bei den Keksen auch mitessen. Der Vorrat in dem Koffer hätte sowie für den ganzen Bus gereicht.

In Kottayam, einer ziemlich uncharmanten Stadt und Einstiegstor in die Backwaters, stiegen wir um auf zwei Hausboote. Der ältere der beiden Libanesen nahm hier direkt mal das Ruder in die Hand und kaperte den Sitz des Käpitans. Wie gut, dass ich mich für das andere Boot entschieden hatte … Dieser Teil der Backwaters war leider nicht der schönste, wir fuhren auf einem ziemlich breiten Fluss, wurden von Booten mit qualmender Dieselrauchwolke überholt und fragten uns, warum es ausgerechnet heute so regnen muss.

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In Varkala schüttete es in Strömen. Der Bus hielt an einer Querstraße zum Strand, beim Aussteigen musste man aufpassen, nicht in die riesigen Matschpfützen zu treten. Ich wollte doch Strandurlaub machen! Mit meinen diversen Gepäckstücken, meiner Yogamatte und zwei Mit-Yogis quetschte ich mich in eine Rikscha Richtung North Cliff. Da hatte ich mich im Bamboo Village eingebucht. Bei schönem Wetter sicherlich ganz hübsch mit dem Garten, bei dem strömenden Pladderregen fand ich das kleine Zimmer, das nur aus einem Bett bestand, nicht so heimelig.

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Als kleines Trostpflästerchen stattete ich erst einmal der German Bakery einen Besuch ab. Dort wartete ein köstliches Stück Karottenkuchen und ein großer Cappucchino auf mich, nach drei Wochen Ashram hatte ich mir das redlich verdient! Jetzt brauchte ich nur noch eine nettere Bleibe. Nach drei Wochen Ashram hatte ich mir auch das verdient! Auch wenn ich Gefahr lief, schlechte Karmapunkte zu sammeln, zog ich unter einem fadenscheinigen Vorwand wieder aus dem Bamboo Village aus. Für die nächste Woche sollte ein kleines Cottage im Bohemian Masala mein Zuhause sein. Ökologisch wertvoll aus Lehm gebaut, hübsch dekoriert. Dass es durch den Lehm hinein regnete, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.

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Auf jeden Fall konnte jetzt die „Ashram-Rehab“ beginnen. Wie dies aussah und wen ich hier alles wieder traf, lest ihr in Kürze an dieser Stelle. C U soon 🙂

1 comment

  1. Wie immer einfach ein göttlicher Bericht!
    Mein Lieblingssatz: In Woche drei hatte ich mich noch immer nicht gefunden….
    lol!
    Weiter so Alex, danke!

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