Vier Stunden Asanas üben, und das jeden Tag. Der Stundenplan der Yoga Vacation im Sivananda Ashram in Kerala war nichts für Unsportliche, der Muskelkater vorprogrammiert. Während ich zu Hause meistens dynamische Yogastile wie Vinyasa Flow übe, fokussiert das Sivananda Yoga auf ein langes Halten der Asanas.
Beim Yoga trifft man nicht nur auf Krieger und Helden, sondern auch auf Tiere. Wilde und weniger wilde, ein bisschen wie im Zoo. Auf Hunde, die nach unten schauen und dabei ihr Hinterteil kess in die Luft strecken. Auf schnurrende Katzen mit Buckel, kleine Frösche, stumme Fische, gurrende Tauben und schlaue Krähen. Auf stolze Adler, treue Kamele, züngelnde Kobras, brüllende Löwen, gefährliche Skorpione und träge Krokodile.
Asana-Praxis im Mittelpunkt der Yoga Vacation im Ashram
Der Hund ist ein anhänglicher Geselle im Yoga. Ein richtiger Freund, mit dem man ganz schön viel Zeit verbringt. Die Kobra kommt meistens im Doppelpack. Erst die kleine Schwester, die Babykobra, und dann die stolze, erhabene Königskobra. Trotz meiner Schlangenphobie kommen wir ganz gut miteinander aus. Meine Krähe ist ein bisschen schüchtern und traut sich nicht, das Nest endgültig zu verlassen. Auch der Adler ist nicht ganz flügge und schlägt noch etwas zaghaft mit seinen Flügeln. Aber beide arbeiten daran. Das Krokodil gehört zu meinen Lieblingstieren beim Yoga. Da liegt man gemütlich auf dem Rücken, kann Kopf, Arme und Beine bequem auf der Seite ablegen und ein wenig entspannen.
Yoga Vacation – anstrengend, aber effektiv
Das Wort Entspannung kannten die Drill Instructor des Sivananda Yogalehrer-Teams nicht. Der müde Kreislauf wurde erst einmal mit zwölf zackigen Sonnengrüßen auf Trab gebracht. Wehe, man kam aus dem Takt oder ließ im Tempo nach. Um den verweichlichten, westlichen Körper auf Vordermann zu bringen, wurden die klassischen Yogahaltungen mit Übungen angereichert, die dem Klappmesser, der Bauchpresse und der Beinschere in Nichts nach standen.
„Leg raising exercise“ klang harmlos, hatte es aber so in sich, dass die untrainierten Bauchmuskeln zitterten wie Espenlaub. Zwanzig, neunzehn, achtzehn. Nach „Single leg raising“ kam „Double leg raising“. Ich wollte nur noch auf die Couch. Doch das stand leider nicht auf dem Programm der Yoga Vacation im Sivananda Ashram. Die Yogastunden waren Pflicht. Außerdem: „No pain, no gain“. Also keine Müdigkeit an den Tag legen und tapfer durchhalten. Yoga Vacation. Wer hatte sich diesen Namen ausgedacht …
Yoga Vacation: “The only pose I’m good at ist Shavasana”
Ich dachte eigentlich, ich sei einigermaßen fit. Schließlich übte ich schon eine ganze Weile Yoga. Lag es an der Hitze? Oder daran, dass ich den Sommer in München zu sehr genossen hatte, mit zu viel Gelati, Sprizz und Zwetschgendatschi mit Sahne? Ich hatte das Gefühl, mein Bauch war überall im Weg. Außer vielleicht bei der Schlussentspannung, Shavasana. Da darf man wie ein Käfer auf dem Rücken liegen, alle Viere von sich strecken und ein paar Minütchen die Augen zu machen. „The only pose I’m good at is Shavasana“, hatte eine Mit-Yogini in ihrem selbstgedichteten Guru-Chant in der Talent Show am Samstag gesungen. Das unterschreibe ich.
In Shavasana war ich auch gut. Bei allen anderen Asanas hatte ich das Gefühl, ich machte sie zum ersten Mal. Das Tempo des Sonnengrußes war jedenfalls nicht den schwülwarmen 35 Grad angepasst. Bei der Hitze ging alles nur in Slow Motion. Beim Skorpion kapitulierte ich endgültig. Ich beherrschte ja noch nicht einmal den Kopfstand, die Vorstufe des Skorpions. Ich sah dabei immer noch aus wie ein Käfer, der versuchte, fliegen zu lernen. So beschloss ich nach zwei Tagen und acht Stunden Asana-Praxis, von Medium zu Basic zu wechseln. So hatten meine Bauchmuskeln, Bizeps und Trizeps eine faire Chance auf Entwicklung. Und ich konnte die Rishikesh-Reihe – Swami Sivananda, der das Sivananda Yoga entwickelt hatte, lebte lange in Rishikesh, daher der Name – von der Pike auf lernen.
Yoga Vacation – einfach mal die Perspektive ändern
Eine gute Entscheidung. Das Tempo war etwas moderater. Der Kopfstand und die Krähe wurden Schritt für Schritt erklärt und geübt. Übungen wie der Skorpion blieben glücklicherweise außen vor. Das Beste: In der zweiten Woche durften wir auf dem Dach über der Dining Hall üben. Mit frischer Luft und Blick in den Dschungel, was so viel besser war, als von den Ameisen und Stechmücken im Untergeschoss der Meditationshalle aufgegessen zu werden.
Der Kopfstand entwickelte sich langsam. Sehr langsam. Die Welt auf den Kopf zu stellen und dabei wie eine Eins zu stehen ohne umzufallen, wollte mir irgendwie nicht gelingen. Aber ich blieb hartnäckig. Ging zu den Yoga Coaching Sessions, in der einzelne Asanas näher erklärt und geübt wurden. Schaffte es irgendwann, die Beine etwas mehr auszuklappen. Fiel dabei aber immer noch häufig um. Mir fehle immer noch die erforderliche Kraft. Aber auch mein Kopf sträubte sich dagegen, meinen Körper in diese Haltung zu bringen. Der Kopfstand ist im wahrsten Sinne des Wortes Kopfsache. Wichtig ist, sich nicht unter Druck zu setzen, lernte ich. Und ich sollte in den kommenden Monaten in Indien noch ausreichend Gelegenheit haben, die Welt aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Und lernen, dass es Yogastile gibt, die weitaus anstrengender sind – ich sage nur Ashtanga Yoga!
Update: Inzwischen habe ich sogar eine Yogalehrerausbildung gemacht, bei Trimurti Yoga in Goa. Der Kopfstand ist zwar immer noch nicht perfekt. Doch ich habe gelernt, dass es im Yoga nicht darauf ankommt, alles perfekt zu machen. Deshalb übe ich mich, nicht nur diesbezüglich, in yogischer Gelassenheit!
Bildnachweise Yoga Asanas: ©stefanbayer/fotolia.com
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