Literaturfest München 2013: Ein Exklusiv-Interview mit Jeet Thayil – hoffentlich!

„So haben Sie Indien noch nie gesehen – eine fiebrige Tour de Force durch das Bombay der Prostituierten, Dichter und Drogendealer.“ Als ich diesen Klappentext las, fühlte ich mich im ersten Moment stark an „Shantaram“ erinnert, den Bestsellerroman des australischen Ex-Sträflings und Ex-Junkies Gregory David Roberts, dessen Protagonist Lindsay „Linbaba“ nach einer abenteuerlichen Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis im Moloch Bombay strandet und dort immer wieder der Macht der Drogen erliegt.

Doch ich halte den Debütroman des indischen Autors Jeet Thayil in Händen, „Narcopolis“. Wie Lindsay, genannt „Shantaram“, gerät der Held von Jeet Thayil in den Strudel des Drogen- und Sündensumpfs von Bombay, sucht in den Siebzigern sein Seelenheil in der Opiumhöhle von Rashid in Bombays Rotlichtviertel und später in den Achtzigern in der schmutzigen, harten Welt der „Heroin Dens“.

Narcopolis_S.Fischer Verlag
Die beiden Bücher könnten verschiedener nicht sein. Als ich den Prolog von „Narcopolis“ las, hatte ich das Gefühl, mir wird schwindelig. Ein einziger Satz, der sich über fast sieben Seiten erstreckt. Nach einigen Seiten gewöhne ich mich an den Rhythmus der Halbsätze, die aneinander gereiht etwas Fließendes, Wellenförmiges, Rauschhaftes haben. Man merkt, dass Jeet Thayil Lyriker und Musiker ist, sein erstes Prosawerk hat etwas Poetisches, etwas Rhythmisches, spielt mit kraftvollen Bildern. Zumindest der Prolog erinnert mich ein bisschen an Baudelaire.

Mit Baudelaire und Dichtern wie John Keats und William S. Burroughs teilt der 54-Jährige mehr als nur die Leidenschaft für Poesie, sondern auch die Schwäche für Rauschmittel. Wie er freimütig in verschiedenen Interviews erklärt, war er über 20 Jahre süchtig, nach Alkohohl, nach Heroin. Er sei jedoch ein „functioning junkie“ gewesen, wie er sagt, habe immer arbeiten können. Jeet Thayil war als Journalist tätig, hat in Indien, Hongkong und New York gelebt und geschrieben.

Bei seinen Landsleuten hat Jeet Thayil mit „Narcopolis“ für einige Aufregung gesorgt, die internationalen Kritiker haben sein Buch von Anfang an geliebt. 2012 wurde er für den Man Booker-Preis nominiert, 2013 erhielt er als erster indischer Autor den DSC-Preis für Südasiatische Literatur. Jeet Thayil_The Hindu

Der im südindischen Kerala geborene Jeet Thayil ist derzeit in Deutschland unterwegs, um sein Buch vorzustellen. München darf sich freuen: Er ist einer der Mitwirkenden des 4. Literaturfestes München, das vom 6. bis 24. November 2013 stattfindet. Jetzt kommt’s: Für literaturbegeisterte Blogger wie mich haben sich die Veranstalter etwas ganz Besonderes ausgedacht: Man kann sich für ein Exklusiv-Interview mit einem von 23 Autoren bewerben. Das tue ich hiermit! Da jeder Autor nur für ein einziges Interview zur Verfügung steht, muss man ganz genau darlegen, warum man die oder der einzig Richtige für das Interview ist.

Ein Interview mit Jeet Thayil – werde ich die Glückliche sein?

Ja, was prädestiniert mich dazu, ein Interview mit Jeet Thayil zu führen und dazu einen Bericht auf meinem Blog zu veröffentlichen? Dass ich schon als Kind und Jugendliche Bücher verschlungen habe, meine Bücherregale aus allen Nähten platzen und ich selbst auf meiner viermonatigen Rucksackreise durch Indien und Nepal sieben dicke Wälzer mit mir herumgeschleppt habe, die ich immer schon einmal lesen wollte? Weil ich Literaturwissenschaften studiert habe und während meines Auslandssemesters im französischen Tours im “Le Café” im schwarzen Existenzialistenrollkragenpullover Sartre und Camus gelesen habe?

Weil ich Indien und indische Literatur liebe? Bombay-Romane wie „Shantaram“ „Der Pate von Bombay“ oder „Satanische Verse“ gelesen habe? Viel Zeit am Stück in Indien verbracht habe und auf den Spuren von Vikram Chandra’s Inspektor Sartaj Singh oder von Gregory David Roberts’ “Linbaba” die Straßen von Colaba erkundet habe, mich im legendären Café Leopold herumgetrieben habe, dem bunte Treiben am Chowpatty Beach und am Marina Drive zugeguckt habe? Weil ich über meine Abenteuer in Indien blogge und sich ein literarischer Exkurs mit einem spannenden, zeitgenössischen indischen Autor wunderbar einfügen würde?

Fotos Indien & Nepal 2011_2012 Teil 2 046

Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien entschieden wird. Ich jedenfalls würde mich unbändig freuen, die Glückliche zu sein, die Jeet Thayil interviewen darf. Vielleicht beeinflusst es die Entscheidung zumindest ein bisschen, dass der Tag, an dem Jeet Thayil im Literaturhaus sein Buch und „sein“ Bombay vorstellt – also der 9. November – mein Geburtstag ist. Für dieses „Geschenk“ würde ich auch meine Geburtstagsfeier ins Literaturhaus verlagern! Ich bin gespannt … Jedenfalls hatte ich schon beim Schreiben dieses Artikels großen Spaß und freue mich jetzt auf’s Wochenende, wenn ich mich mit einem leckeren Masala Chai und meinem neu erworbenen Exemplar von „Narcopolis“ unter die Kuscheldecke auf meiner Couch zurückziehen kann!

narcopolis

5+1 – Meine Fragen an Jeet Thayil

Wie auch immer die Entscheidung ausfällt – für den Fall der Fälle habe ich schon mal meine Fragen für ein Interview vorbereitet, der Einfachheit halber direkt auf Englisch:

    Novels are often more than fiction but have autobiographical traits. The hero in Narcopolis is a drug addict who left New York to return to India. We can certainly say that there are some parallels between the sequence of events in the novel and your own life. How much of “you“ and your life is portrayed in the book?

Baudelaire, Keats, Cocteau, Kerouac – some of the most brilliant figures in literary history were all some kind of addicts or another. Do you think there is a strong link between art and addiction? Why?

You are also a musician and a poet. In „Narcopolis“, you make extensive use of drawings, conscious images, metaphors, and most of all, poetry. What inspired you to use such a great variety of literary techniques in this work of art?

According to some critics your work has more in common with William S. Burroughs and his novel „Naked Lunch“ than with books written by contemporary Indian authors. Do you think this is true? Who inspired you in your own work to date?

Your novel is set in the red light area and drug district in Bombay, a haven of sin, a world which the usual visitor to this city will never see. What is your own personal experience of Bombay and the people living in Bombay? Did Bombay change since you lived there?

Mr. Thayil, would you allow me an additional question? My friends think, I’m kind of over-intellectualizing and should ask you a sixth question, which is more profane! You have been visiting a couple of German cities in the last few weeks. What was your funniest experience? Is it true what most people say about the Germans?

Bildnachweise:
Buchcover © S. Fischer Verlag
Literaturfest München © Heidi Vogel
Jeet Thayil © The Hindu

9 comments

  1. liebe alex, dass du “sophisticated” und clever bist, wissen wir. also – ein bisschen runter vom intellektuelen gas bei den fragen. frag ihn doch lieber heitere fragen z.b. nach seinem “besten” erlebnis oder witzigstem ereignis in europa die letzen vier wochen. sei nicht so verkopft – manchmal mag man´s leicht – auch dafür kann man punkte kassieren.

  2. lieber oder liebe anonymous, jetzt würde ich aber doch gerne wissen, wer sich hinter deinem pseudonym verbirgt, gib’ dich doch mal zu erkennen, du scheinst mich jedenfalls gut zu kennen 🙂 okay, ich ergänze noch eine frage, was er von “minga” und den “krauts” hält …

  3. Ich drück Dir die Daumen!

  4. danke, liebe christine, ich bin sehr gespannt 🙂

  5. Ich hoffe sehr, dass du das Interview machen darfst! Deine Begeisterung von einem Land, den Leuten und den Geschichte drum herum steckt an und macht neugierig. Genau das soll doch so ein Interview auch tun. Also: Du bist die Richtige! 🙂

  6. 🙂 vielen dank, katrin! freue mich über deine zeilen, und würde mich tatsächlich riesig über die chance freuen!

  7. Liebe Alexandra,

    es lohnt sich immer die Wochenauswertung der Ironblogger München anzuschauen, so bin ich schließlich auf deinen Post gekommen und er gefällt mir. Ich hoffe sehr, dass du das Interview bekommst, denn deine Begeisterung ist fassbar. Verkopft … nun ja … anspruchsvoll, aber in einer lockeren und gut zugänglichen Art #Ilike!

    Herzlich,
    Tanja

  8. liebe tanja, freut mich sehr, dass dir der post gefällt! ja, mich fasziniert dieses land einfach unglaublich und dieser extrem interessante autor und sein buch haben mich ebenfalls sofort in den bann gezogen! und: meine fragen sind schon an ihn rausgegangen 🙂

    LG
    alexandra

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