Meinen ersten Nachmittag in Munnar verbrachte ich tatsächlich mit meinen Lieblingsreiseutensilien, einem Tee und einem Buch, auf dem kleinen Freisitz vor meinem Zimmer im Hollyhock, Blick auf die saftig grünen Teeplantagen inklusive. Zum Abendessen wechselte ich auf die obere Terrasse. Ein bisschen frisch war es ja schon hier oben in den Bergen, aber nach der tropischen Hitze im keralischen Flachland fand ich es eigentlich ganz angenehm, nicht permanent eine Schicht aus Staub und Schweiß auf meiner Haut zu haben. So reicht dann auch eine Dusche pro Tag.
Angeblich war das Hotel ja ausgebucht. Außer mir gab es beim Abendessen allerdings nur noch ein junges, indisches Paar, das auf Hochzeitsreise war. Anstatt zu flittern und ein romantisches Dinner zu verbringen, wollten die beiden alles von mir wissen. Wo ich herkomme, was ich hier mache. Wo mein Mann sei. Was, ich sei allein unterwegs? In meinem Alter noch nicht unter der Haube zu sein und dann noch alleine zu reisen rief bei den meisten Indern großes Erstaunen hervor.
Die beiden kamen aus Kalkutta und hatten sich dort an der Uni kennengelernt. Sie hat Geschichte studiert, ist Lehrerin geworden, er war Ingenieur. Und arbeitete bei … na, wo wohl? Bei Siemens. Er war völlig aus dem Häuschen, als er erfuhr, dass ich aus Germany komme, dem Siemens-Land. Er sei so stolz, bei Siemens zu arbeiten, das sei eine so großartige Firma, so strukturiert, so geordnet. Er sei einfach ein Glückspilz. Bei den Kollegen in Deutschland sei er leider noch nicht gewesen, aber er fände es toll, wenn das mal klappen würde. Ob er mittlerweile die Gelegenheit hatte, mal am Wittelsbacher Platz „Hallo“ zu sagen und immer noch so begeistert von seinem Arbeitgeber ist, weiß ich leider nicht.
Ich ließ die beiden dann mal weiterflittern und zog mich zurück. Der muffige Geruch in meinem Zimmer, den ich bei meinem Einzug irgendwie ignoriert hatte, war inzwischen richtig penetrant geworden. Und es war saukalt. Berge halt, feuchtkühles Klima. Naja, ziehe ich mir einfach des dicke Federbett über den Kopf und versuche, schnell zu schlafen, dann rieche ich nichts mehr. Außerdem wusste ich ja, auf so einer Reise durfte man nicht so pingelig sein. Als ich merkte, dass auch das Bett so müffelig roch und sich als klammer Feuchtbiotop entpuppte, sehnte ich mich fast nach dem spartanischen Spanholzplattenbett im Ashram zurück. Statt kuscheligem Federbett zog ich alles an, was ich an warmen Sachen dabei hatte – viel war das nicht – und versuchte, mir mit meinem Schlafsack zu behelfen. Zu allem Überfluss klingelten dann noch irgendwelche Witzbolde immer wieder an meiner Tür und meinten, es sei etwas Dringendes. Ich kroch tiefer in den Schlafsack und erinnerte mich daran „Wenn ich dich nicht sehe, siehst du mich auch nicht.“ Half nur bedingt …
Zum Glück war die Nacht irgendwann vorbei. Nach einem üppigen Frühstück mit Riesen-Omelette stand dann auch tatsächlich Ganesh mit seiner Rikscha auf der Matte. Als Profi-Tour-Guide hatte er die Wände seines Gefährts mit Fotos von den ganzen Ausflugszielen geschmückt, die wir gleich ansteuern sollten. Es sollte hinauf gehen bis zur Top Station. Diese auf 1.600 Meter gelegene kleine Ansammlung von Häusern lag an der Grenze zwischen Kerala und Tamil Nadu und war das Ziel der zahlreichen Jeep-Taxis, Tatas, Mahindras und Marutis, die sich die knapp 35 Kilometer den Berg hinaufschlängelten. Es war Wochenende und es wimmelte vor Einheimischen, die ihre Verwandte in den umliegenden Dörfchen besuchten, und vor Ausflüglern und Kurzurlaubern, die wie ich die hügelige, grüne Landschaft und die frische, klare Luft genossen. Ich war die einzige hellhäutige Blondine weit und breit, um mich herum indische Pärchen und Klein- und Großfamilien. Während meiner paar Tage in Munnar habe ich keinen einzigen anderen Backpacker gesichtet, eine ganz neue Erfahrung.
Ich hatte aber dennoch genug Ansprache. Ganesh überredete mich, einen Elefantenritt zu machen. Die Idee, mich auf so einem armen Tier von einem Mann in Longyi und Gummischlappen ein paar Hundert Meter durch den Dschungel zerren und dabei fotografieren zu lassen, fand ich zunächst total blöd. Die indischen Touristen fanden das nicht, die hatten alle ihre helle Freude an diesem kleinen Spektakel. Also ließ ich mich überreden. Und fand auch eine Mitreiterin, die sich einen Elefanten mit mir teilte. Ihr Mann musste auf das kleine Baby aufpassen, bekam den Fotoapparat in die Hand gedrückt, wir statteten uns mit Bananen aus und schaukelten auf dem Elefantenrücken durch den Wald. Ganesh freute sich und machte eine ganze Fotoserie. Wie gut, dass es Digitalkameras gibt.
Wir knipsten unzählige Bilder an diesem Tag, an dem kleinen Stausee, in den Teeplantagen und natürlich auf der Top Station. Leider waren wir deutlich nach 9 Uhr dort und der Blick hinüber nach Tamil Nadu war schon ziemlich vernebelt. Egal. Zumindest war ich mal hier. Und mystischer Nebel in den Bergen hat auch immer seinen Charme, finde ich. Ich hätte natürlich auch gerne ein paar Teepflücker fotografiert, die hatten aber heute frei. Also bis Sonntag warten, da wurde wieder Tee gepflückt für Teekanne, Meßmer, Lipton und Co, in Indien ist in der Regel nur der Samstag ein arbeitsfreier Tag.
Ganesh kam auch aus einer Teepflückerfamilie und lebte mit seine Frau und seinen beiden Kindern in einem der kleinen bunten Häuschen, die wir von der Straße aus sahen. Schon sein Großvater war Teepflücker – er kam als ganz junger Mann von Tamil Nadu hierher – sein Vater ebenfalls und er dann auch, als er 13 wurde. Die Jobs werden von Generation zu Generation vererbt, erzählte er mir, und auch wenn man kaum etwas verdient, sind die Stellen heiß begehrt. Man bekommt eine günstige Unterkunft in der Plantage zur Verfügung gestellt und die Kinder können dort zur Schule gehen. Ganesh hat den Job seiner Frau vermacht, weil er mit seinen Rikschafahrten mehr verdient.
Man konnte leider nicht so einfach durch die Teeplantagen laufen. Wir machten es trotzdem. Wir parkten am Straßenrand und ignorierten die Warnschilder. Als wir unterwegs einen Arbeiter trafen, der Holz sammelte, fragte Ganesh, ob ich mit ihm mitlaufen könnte, er würde dann weiter unten am Berg mit der Rikscha warten. Als tapste ich dem Herrn, der barfuß mit dem Holz auf dem Kopf zwischen den Teesträuchern durchspazierte, hinterher. Danach hatte unser Vehikel erst einmal eine Panne, davon hatte ich ja schon einmal berichtet. Seitdem weiß ich, wie man bei einer Rikscha einen Reifen wechselt! Wie gut, das wir das Gefährt wieder flott kriegten, schließlich stand noch mein Umzug ins Glenmore Resort an und am nächsten Tag wollten wir ja noch trekken gehen. Mehr davon gibt es dann im nächsten Blogpost. Jetzt muss ich noch schnell die letzten Weihnachtsgeschenke besorgen. Stay tuned!
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